Der älteste Gottlieber — der letzte im Dorf jener Meyer, die im 13.Jahrhundert
hier heimisch wurden.Am 11. Februar 2019 feierte der beneidenswert fitte Mann seinen 98. Geburtstag.
Am 26. April 2022 ist Erwin Meyer verstorben.
Hören Sie, woran er sich im Interview am 18.12.18 mit Rolf Seger alles erinnerte:
Nachruf aus den Gottlieber Nachrichten vom Mai 2022
von Martin Bächer
Erwin Meyer †
Gottlieben trauert um seinen ältesten Einwohner und Bürger. In den frühen Morgenstunden des 26. April ist Erwin Meyer im 102. Altersjahr friedlich entschlafen. Am Mittwoch, 25. Mai, 14 Uhr, werden wir in der Kirche Gottlieben von ihm Abschied nehmen können.
Erwin Meyer wurde am 11. Februar 1921 als sechstes Kind im Elternhaus an der Ländlistrasse geboren und wuchs dort zusammen mit seinen zwei Schwestern und drei Brüdern auf. Der Vater betrieb zusammen mit zwei seiner Söhne ein kleines Baugeschäft. Für Erwin stand schon früh fest, dass er Bootsbauer werden wollte. Nach der Primarschule bei Lehrer Brauchli in Gottlieben besuchte er die Sekundarschule in Tägerwilen. Von 1936 bis 1940 absolvierte er in der Werft eines Schwagers Wilhelm Krüger, der mit seiner ältesten Schwester Rosa verheiratet war, die dreieinhalbjährige Lehre als Bootsbauer.
Bei einer Werft in Biel sammelte er anschliessend erste Berufserfahrungen, bevor er 1941 in Brugg die Rekrutenschule als Pontonier absolvierte und gleich anschliessend zum Aktivdienst in der Innerschweiz eingezogen wurde. Bereits während der Militärdienstzeit, aber auch danach war Erwin Meyer verschiedentlich bei zwei Werften am Zürichsee als Bootsbauer tätig, setzte dann aber seine Wanderjahre zwischenzeitlich bei einer Werft in Ascona fort. Die vier Jahre von 1945 bis 1949 im Tessin bezeichnete er als die schönsten in seinem beruflichen Leben. Nach seiner Heirat kehrte Erwin Meyer 1954 nach Gottlieben zurück, wo er zusammen mit seiner Schwester Rosa den Fortbestand der Werft seines früh verstorbenen Schwagers sicherstellte, bis dessen Sohn Wilhelm Krüger junior den Betrieb 1961 übernehmen konnte.
Danach wechselte Erwin Meyer zur Heinrich-Werft in Kreuzlingen, für die er bis zur Pensionierung 1986 während 25 Jahren tätig war. Der Bootsbau war für ihn nicht nur Broterwerb, sondern Passion. Und sein Beruf war auch sein Hobby. So baute er in seiner Freizeit etwa Segeljollen und Motorboote.
Immer auf Eigenständigkeit bedacht
Erwin Meyer war es gewohnt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, auch als seine geliebte Frau früh verstarb — und bis zuletzt. So war es für ihn beispielsweise nur schwer zu akzeptieren, dass er mit 99 Jahren seinen Führerausweis abgeben musste. Seine Selbständigkeit und seine Bewegungsfreiheit bewahrte er sich fortan mit einem dreiräderigen Elektrofahrzeug. Und bis zuletzt hat er seinen Haushalt selbst geführt, eingekauft und gekocht. So ist es Erwin Meyer, wie er sich dies immer gewünscht hatte, erspart geblieben, seine letzten Jahre in einem Pflegeheim verbringen zu müssen. Möglich war dies dank seiner robusten Gesundheit und seiner geistigen Frische, deren er sich stets erfreuen durfte. Möglich war dies aber auch dank der guten Dienste seiner Nachbarn im Haus am Seeweg und der Spitex sowie der tatkräftigen Unterstützung aus seinem Umfeld im Dorf. Nach dem Rezept für seine beneidenswerte Gesundheit bis ins hohe Alter gefragt, antwortete er stets, dass er eben kein überschwängliches Leben geführt, immer Mass gehalten und nie übertrieben habe.
Erwin Meyer war eine in sich ruhende, eher zurückhaltende Persönlichkeit, die sich nicht vordrängte, aber dennoch bestimmt war und mit klaren Aussagen überzeugte. Mit seinem Humor und seinem Charme, seinem Interesse und seiner Offenheit fand er immer rasch Zugang zu anderen Menschen. Und Erwin Meyer hatte etwas von einem Gentleman alter Schule.
Das Gedächtnis von Gottlieben
Der Verstorbene war auch das Gedächtnis von Gottlieben. Mit seinem beneidenswerten Erinnerungsvermögen konnte er mit grosser Klarheit und bemerkenswerter Detailtreue aus früheren Zeiten erzählen. Dies kam etwa auch bei den Telefonaten mit dem Donator Joseph Franz Müller aus Bolivien zum Ausdruck, die er auf Vermittlung von Paul Keller mit ihm führte und in denen sie sich an die gemeinsame Jugendzeit in Gottlieben erinnerten, zum letzten Mal am 25. März.
Wir werden Erwin Meyer in ehrender und dankbarer Erinnerung behalten. Den Angehörigen entbieten wir unsere herzliche Anteilnahme.
Unbedingt archivieren! Vielen herzlichen Dank für dieses Interview.
Es war mir eine Freude diese lang zurück liegenden Geschichten zu hören.
Meine ganze Hochachtung gebührt Erwin Meyer. Er scheint etwas in seinem Leben sehr gut zu machen.
So klar und fit mit 99 Jahren. Hoch soll er leben !!
Ein aussergewöhnliches Zeitdokument !
Danke für dieses Interwiev vom ältesten Gottlieber Bürger Erwin Meyer.